Orthopädisches Therapiezentrum
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Epiphyseolysis capitis femoris

Leitlinien von DGOT und BVO

Epiphyselolyse.mht

Verabschiedet: 19.05.98

Synonyme
 

Idiopathische  Coxa antetorta
Hüftkopfepiphysenlösung


Definition
Erkrankung des Jugendlichen im Präpubertäts- bis frühen Pubertätsalter, bei der sich die Hüftkopfepiphyse in der Wachstumsfuge vom Schenkelhals  löst und abgleitet.



Ätiologie, Pathogenese, Pathophysiologie
Die Ätiologie  ist wahrscheinlich nicht einheitlich: hormonelle Faktoren, toxische Schädigungen, rein mechanische Faktoren, Scherkräfte auf die Wachstumsfuge. Geschlechtsverhältnis: m:w=2:1 bis 3:1. Altergipfel: Mädchen ca. 12. Lebensjahr, Knaben ca. 14 Lebensjahr. In bis zu 80% der Fälle beide Hüften betroffen.
Gehäuftes familiäres Vorkommen bei 5-10% der Erkrankten. Habitus:  häufig Dystrophia adiposogenitalis oder eunuchoider Hochwuchs. Ursache: präpubertäre Verbreiterung des Wachstumsknorpels mit Minderung der  mechanischen Resistenz (Übergewicht führt zu Überlastung).


Pathogenese
Unterscheidung zwischen drohender (Ecf imminens) bzw. beginnender Lösung (Ecf incipiens), aus der sich ein akutes Abgleiten der Kopfepiphyse (Ecf acuta) plötzlich  entwickeln kann oder ein viele Monate andauerndes langsames Abgleiten der Kopfepiphyse (Ecf lenta). Aus einer zunächst entstehenden Ecf lenta kann sich plötzlich  die akute Form entwickeln.


KlassifikationEpiphyseolysis capitis femoris lenta
Epiphyseolysis capitis femoris acuta
Epiphyseolysis capitis femoris incipiens


Medizinische Schlüsselsysteme

 
ICD-9 (Internationale Klassifikation der Krankheiten)

732.2

Nichttraumatische Epiphysenlösung des oberen Femur (verrutschte  obere Femurepiphyse)

ICD-10 (Internationale Klassifikation der Krankheiten)

M 93.0

Epiphyseolysis capitis femoris (nichttraumatisch)

ICPM-GE (Internationale Klassifikation der Prozeduren in der Medizin)

5-786.19

5-786.09

5-790.8

5-781.99

5-781.99

Spickung mit Kirschnerdrähten

Verschraubung der Kopfepiphyse

Reposition der akuten Ecf mit anschl. Fixation

Intertrochantäre Korrekturosteotomie

Subcapitale Osteotomie


 Anamnese

Spezielle  Anamnese
  • Schmerzen
     
  • Ecf  incipiens: leichte belastungsabhängige Hüft- oder Knieschmerzen (häufig verharmlost) Ecf lenta: Hüft- oder Knieschmerzen über  Wochen bis Monate Ecf acuta: starke Schmerzen plötzlich oder nach Gelegenheitstrauma
     
  • Funktionseinschränkung:  Hinken

Allgemeinerkrankungen

Familienanamnese

Sozialanamnese

DiagnostikKlinische  Diagnostik
  • Beurteilung  des Habitus
     
  • Beurteilung  von Bewegungsumfang, Bewegungsschmerz. Beweglichkeit betroffene Hüfte:  meist eingeschränkte Innenrotation; Drehmann-Zeichen positiv bei schon  fortgeschrittener Erkrankung
     
  • Beurteilung  Gangbild: Duchenne-Hinken?
     
  • Beurteilung  der Kniegelenke und der Wirbelsäule

Apparative Diagnostik

Notwendige apparative Untersuchungen:
 
  • Röntgen: Beide Hüften a.-p.- und "axial" (a.p.: Verbreiterung der Epiphysenfuge,  scheinbare Verschmälerung der Epiphyse. Axial: Bestimmung des Gleitwinkels)
     
  • Sonographie  beider Hüften (Kapseldistension, Unterbrechungen der Epiphysenfuge)
     
  • Labor  (zur Differentialdiagnostik)

Häufige  Differentialdiagnosen
  • Koxitis  fugax
     
  • septische  Koxitis
     
  • Tumor
     
  • alte Hüftdysplasie
     
  • schwere  Verlaufsform des M. Perthes

Klinische  Scores

Wenn ein wissenschaftlicher Vergleich mittels Scores oder Bewerungsschemata angestrebt  wird, empfehlen wir die Verwendung folgender Schemata in der Originalfassung:
  • IOWA-Hip-Score (Larson 1963)
     
  • Klinisches Bewertungsschema nach Heyman und Herndon (1954)


TherapieZieleWahrung  bzw. Verbesserung der Artikulation der Gelenkpartner, um Funktionseinbuße und spätere Arthrose zu verhindern.


Konservative Therapie

Beratung
Monate- bis jahrelanges Entlasten des betroffenen Hüftgelenkes (z.B. mittels Orthesen, Krücken, Gipsverbände, Rollstuhl) ungeeignet und unzumutbar. Risiko des weiteren Abgleitens gegeben.


Operative  Therapie

Allgemeine Indikationskriterien:
Dringlichkeit der Operation und Wahl des Operationsverfahrens richten sich nach folgenden Kriterien:

  • Ecf  acuta oder Ecf lenta
     
  • Ausmaß des Gleitwinkels in beiden Projektionsebenen
     
  • Alter  des Patienten bzw. Ausmaß der noch vorhandenen Wachstumspotenz


Standardoperationsverfahren:

  • Ecf  acuta: orthopädischer Notfall, unverzügliche Klinikeinweisung.  Sofortige Reposition und Fixation der Kopfepiphyse mittels Kirschner-Drähten  oder Gleitschraube.
     
  • Ecf  incipiens: Fixation in situ mittels Kirschner-Drähten oder Gleitschraube
     
  • Ecf  lenta
     
  • Gleitwinkel  a.p.
  • Gleitwinkel  a.p. > 20°, axial 30-50°: Fixation in situ oder intertrochantäre  Korrekturosteotomie
     
  • Gleitwinkel  axial > 50°: intertrochantäre oder subkapitale Korrekturosteotomie

Planung  und Vorbereitung:
Implantate und Instrumente
Intraoperative Röntgenmöglichkeit


Mögliche Folgen und Komplikationen:
Allgemeine Risiken und Komplikationen
Hämatom, Wundheilungsstörung, Wundinfekt, Gefäßverletzung, Nervenverletzung
Spezielle Folgen
Beinlängenunterschied, Verkürzung des Schenkelhalses. Verlust  der Fixation über die Jahre durch Wachstum (neuerliche Fixation notwendig). Herauswachsen von Kirschner-Drähten aus der Kopfepiphyse
Komplikationen

  • in situ-Spickung: Gelenkkontakt der Drähte/Schraube, Implantatdislokation,  mangelhafte Fixation der Kopfepiphyse, Kopfnekrose
     
  • Osteotomie:  Implantatdislokation, Gelenkkontakt des Implantates, Kopfnekrose, Waldenstömsche  Knorpelnekrose


Prognose Langzeituntersuchungen bei Patienten mit Ecf haben ergeben, daß vor allem bei Gleitwinkeln über 20 Grad in der Frontalebene und über 30 Grad in der Transversalebene spätere Arthrosen drohen. Darüberhinaus waren die früher üblichen Operationsverfahren  mit einer höheren Rate an Hüftkopfnekrosen und Knorpelnekrosen belastet.  Mittelfristige Nachuntersuchungsergebnisse in den letzten 10 Jahren haben einen deutlichen Rückgang dieser teilweise osteotomiebedingten Komplikationen  gezeigt.
 

Prävention Primär:  Vermeiden der körperlichen Überlastung, von Übergewicht in der  Präpubertät und der Pubertät.
Sekundär: frühzeitige Diagnose und Therapie


Ausgewählte  Literatur
  1. Heyman,  C.H., Herndon, C.H.: Epiphyseodesis for early slipping of the upper femoral epiphysis. J. Bone Joint Surg, 36 A, 539-554, 1954
     
  2. Larson C.B. (1963): Rating scale for hip disabilities. Clin. Orthop. 31, 85-93
     
  3. ICPM,  Internationale Klassifikation der Prozeduren in der Medizin (OPS-301). Version  1.1. Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Information, DIMDI. 1996
     
  4. Internationale Klassifikation der Krankheiten, Verletzungen und Todesursachen (ICD) 9. Revision.  Band I, Teil A: Systematisches Verzeichnis der dreistelligen Allgemeinen Systematik und der vierstelligen ausführlichen Systematik. 2. überarbeitete Auflage, Kohlhammer, Köln Stuttgart Berlin, 1988
     
  5. Internationale Klassifikation der Krankheiten, Verletzungen und Todesursachen (ICD) 9. Revision.  Band I, Teil B: Zusätzliche Systematiken und Klassifizierungsregeln.  Kohlhammer, Köln Stuttgart Berlin, 1986
     
  6. ICD-10.  Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme. 10. Revision. Bd I: Systematisches Verzeichnis. Deutsches Institut für medizinische Dokumentation und Information; DIMDI. Urban&Schwarzenberg, München, Wien, Baltimore, 1994

Verfahren  zur Konsensbildung:Expertengruppe
Hauptautor
L. Jani, Mannheim


KoautorenU. Maronna,  Frankfurt; M.H. Hackenbroch, Köln; J. Gekeler, Sindelfingen; U. Dau, Weilburg

Redaktionskomittee

Prof.  L. Jani, Mannheim
Dr. K.-L. Krämer, Heidelberg
Prof. Dr. J. Grifka, Bochum
Prof. Dr. F.U. Niethard
Prof. Dr. H.-P. Scharf, Ulm
PD Dr. R. Schleberger, Bochum
PD Dr. J. Zacher, Berlin